Die Welt war in Flammen.
Nicht im wörtlichen Sinne—nein, die Straßen von Rom brannten nicht. Die Menschen gingen weiterhin ihren Geschäften nach, ahnungslos, unwissend, dass sich unter ihnen etwas veränderte. Doch für Lestat war es, als würde seine gesamte Existenz neu entfacht.
Er war Feuer.
Er war Macht.
Er war etwas, das er nicht verstand.
Sein Blick wanderte zu seinen Händen—seine blasse Haut war von einem goldenen Schein durchzogen, als würde unter der Oberfläche Licht pulsieren. Es fühlte sich an wie flüssige Energie, die durch seine Adern floss, stärker als jedes Blut, das er je getrunken hatte.
„Was hast du getan?“ keuchte er erneut, seine Stimme zitterte vor Wut—und Angst.
Amel lächelte.
„Ich habe dich vervollständigt.“
Lestat schnaubte. „Ach ja? Ich war mir nicht bewusst, dass ich unvollständig war.“
Amel trat näher. Ihre Bewegungen waren geschmeidig, katzenhaft, als würde sie über den Boden gleiten statt gehen.
„Du warst es immer, Lestat. Seit dem Moment, in dem Magnus dich schuf, warst du mehr als nur ein Vampir. Du warst ein Gefäß. Und jetzt bist du frei.“
Frei.
Das Wort hallte in seinem Geist nach, fremd und unbegreiflich.
„Und Marius?“ fragte er. Seine Stimme war kälter jetzt, härter.
Ein Schatten huschte über Amels Gesicht.
„Er hat sich geopfert.“
Lestats Magen zog sich zusammen.
„Was meinst du damit?“
Amel seufzte. „Er hat versucht, dich zu retten. Aber das war nicht möglich. Die Energie, die dich nun durchfließt, hätte ihn zerstört, wenn er geblieben wäre. Also hat er sich selbst ins Vergessen gestoßen.“
Lestat blinzelte. „Was…?“
Amel trat noch näher, ihre Hände strichen sanft über seine Wangen. „Er ist fort, Lestat. Er hat sich selbst in den Schlaf gezwungen, um dich nicht zu verlieren. Er wusste, dass er dir nicht mehr helfen konnte.“
Lestat wich zurück, entwand sich ihrer Berührung. Wut kochte in ihm hoch.
„Und das ist deine Schuld!“ zischte er.
Amel lachte. „Nein, mein geliebter Lestat. Es war sein eigener Wille.“
Ein neuer Gott?
Lestat spürte, wie die Energie in ihm wuchs, pulsierte, nach einem Ausweg suchte. Er ballte die Fäuste.
„Was genau bin ich jetzt?“ fragte er mit einem gefährlichen Unterton.
Amel neigte den Kopf. „Etwas, das über einen Vampir hinausgeht. Die Quelle selbst fließt durch dich. Du hast das Potenzial, zu erschaffen—oder zu zerstören.“
Lestat lachte trocken. „Also bin ich ein Gott, ja?“
Amel schmunzelte. „Vielleicht. Oder vielleicht bist du einfach das nächste Kapitel.“
Lestat starrte sie an. „Und was willst du von mir?“
„Ich will nichts. Ich habe dir nur gegeben, was du ohnehin werden solltest. Was du jetzt daraus machst… das liegt bei dir.“
Lestat schwieg.
Jahrhunderte lang hatte er nach Bedeutung gesucht, nach Macht, nach einem Platz in der Welt.
Und nun… hatte er alles.
Aber war er noch er selbst?
Die Entscheidung
Lestat trat aus den Katakomben heraus in die Nacht Roms. Die Stadt lag ruhig vor ihm, ihre Lichter ein Versprechen von Leben, von Bewegung, von Geschichten.
Amel folgte ihm nicht.
Er war allein.
Doch in ihm brannte eine Kraft, die ihn veränderte.
Was sollte er nun tun?
War er noch ein Vampir? Oder war er etwas… Neues?
Er schloss die Augen.
Zum ersten Mal in Jahrhunderten wusste er nicht, wer er war.
Doch er wusste eines sicher.
Er würde es herausfinden.
Und wenn die Welt ihn fürchten musste—dann sollte es so sein.
Bruno Schelig
Seit 2012 bin ich als freischaffender Autor tätig und habe in diesem Jahr mein erstes Buch veröffentlicht. Über die Jahre hinweg habe ich verschiedene Blogs und Webseiten betrieben, bis ich schließlich hier angekommen bin – ein Ort, an dem ich bleiben möchte. Als Freidenker scheue ich mich nicht davor, auch kontroverse oder wenig populäre Themen aufzugreifen.
Meine Leidenschaft gilt dem Schreiben in all seinen Facetten: Gedichte, Kurzgeschichten, ganze Bücher – all das findet hier auf meinem Blog seinen Platz. Neben der kreativen Schriftstellerei widme ich mich Themen wie Online-Marketing, Psychologie, Mythologie und der Theorie des Schreibens.
Für mich bedeutet Schreiben, meiner Kreativität freien Lauf zu lassen und jedem Thema eine angemessene Stimme zu verleihen. Es ist diese Vielseitigkeit und persönliche Note, die meine Arbeit ausmacht und mir immer wieder neue Wege eröffnet.