Zuallererst ist es eine Film Trilogie. Je nach Wissensstand, kennen Sie das bereits. Nun, wäre es nur das, so würde sich der Gedanke sich nicht über Jahre hinweg halten und viele suchende Seelen in ihren Bann ziehen. Die Matrix ist ein System, das extra oder auch nicht existiert, um den eigenen Verstand zu beschützen. Das Ich behütet und umfängt, damit es nicht in das Bodenlose der Freiheit fällt. Denn davor hat die Psyche, das Ich, das Ego, das Selbst, mehr Angst als vor Allem Anderen. Gibt es keinen Halt, stürzt es in das Bodenlose.
Die Matrix
Es ist ohne Zweifel eine Film Trilogie hinter der weit mehr steckt, als auf den ersten Blick ersichtlich. Es ist auch so gedacht und sollte ebenso etwas bewirken. Nun, in gewisser Weise hat es das auch. Wenn auch verdreht und manch schöner Bewegung angepasst. Wie es bei großen Gedanken nun mal ist, werden Sie für andere Dinge benutzt, denen sie sich dann fügen müssen. Die Wahrheit aber, den Kern dahinter, den findet man selbst schon bis Nietzsche oder andere Denker der Vergangenheit zurück. Das Ich, das sich selber vor der Wahrheit beschützt, das es nicht ertragen können. Es stimmt, “das System ist unser Feind“, aber dabei geht es nicht um das System im Außen, wenn es auch unterstützt, viel mehr um das eigene System im Innern.
Das Problem des Systems
Nun müssen wir aber etwas weiter gehen, wenn wir der “Matrix” auf den Grund gehen wollen. Sicher, die Matrix lässt sich fadenscheinig und einfach schön auf jedes bestehende System verfrachten, sei es da die Gesellschaft, als auch Glauben und Religion. Aber das System egal der Art, hätte niemals so eine Macht, wenn das Problem nicht im eigenen Innern zu finden wäre. Das problematische System sind alleine wir in unserer Konstruktion von Psyche, Ego, Selbst, Unterbewusstsein und Verstand. Die Begrifflichkeiten sind dabei egal, denn im Grunde wird immer das Gleiche gemeint.
Ich zitiere mal wieder aus “Philosophie des verbotenen Wissens”, Friedrich Nietzsche und die schwarzen Seiten des Denkens, von Konrad Paul Liessmann:
“Ich weiß etwas, was du nicht weißt: Dies ist der Kindervers, der neckisch einmal damit lockte, das Zurückgehaltenes spielerisch die Neugier weckt. Ich weiß etwas, was Du (noch) nicht wissen darfst: Dies ist die Formel, in der Wissen zur Macht wurde und einstens auch die Grundfigur pädagogischen Schutzdenkens kennzeichnete – es ist nicht gut, schon in jungen Jahren all zu viel zu wissen. Ich weiß etwas, was ich nicht wissen darf: Das war Nietzsches Problem.
Die Geschichte des Wissens ist stets mit dem Odium des Verborgenen und Verbotenen behaftet gewesen. Das ursprüngliche Wissen der Priester und Schamanen, das Wissen der Magier und weisen Frauen war ein esoterisches Wissen, nicht jedem zugänglich, für Unbefugte ein Verderbnis. Allzuviel wissen zu wollen, unberufen in Geheimnisse und Mysterien einzudringen, galt nicht nur in der christlichen Kultur als Hybris, anmaßend und letztendlich schädlich. Daß im Paradies einzig das Essen vom Baum der Erkenntnis verboten war, erzählt tatsächlich etwas von der Urgeschichte des Wissens: Es war das Verbotene schlechthin. Seit in der griechischen Antike die Philosophie allerdings den Marktplatz aufsuchte, gab sich das Wissen auch eine exoterische, eine öffentliche Gestalt. Und seit der Aufklärung und deren Konzept einer allgemeinen Menschenbildung, seit dem Siegeszug der modernen Wissenschaft als intersubjektive und jedem vernünftigen Subjekt zugängliche Form der Weltdeutung und Weltbeherrschung gilt zumindest die Theorie, daß niemandem der Zugang zu Wissen verwehrt werden darf, daß Erkenntnis ohne Sünde, frei und allgemein zugänglich sein muß.
Gewiß: Auch nach der Demokratisierung des Wissens wird nicht alles von allen gewußt. Und weiterhin wird Wissen zurückgehalten, werden Erkenntnisse verheimlicht oder erst allmählich veröffentlicht, wird Wissen aus strategischen, ökonomischen und politisch-moralischen Gründen nur langsam preisgegeben oder überhaupt – zumindest eine Zeitlang – unter Verschluß gehalten. Für Unbefugte ist solch ein Wissen auch weiterhin verboten, und daß im Verborgenen ohnehin mehr gewußt wird, als das öffentliche Wissen zugibt, gehört zu einem Verdacht, der nicht zuletzt auch und gerade die vielbeschworene Wissensgesellschaft grundiert. […]”
“[…] Unbrauchbares vergessen und Neues lernen ist die Maxime, nach der sich ein Mitglied der Wissensgesellschaft zu orientieren hat. So lautet zumindest in Grundzügen ein Mythos, den sich die Wissensgesellschaft von sich selbst erzählt.
Rührt man allerdings ein wenig an diesen Mythos, wird man unter Umständen bemerken müssen, daß auch und gerade die Informationsgesellschaft ihren eigenen Voraussetzungen und Wahrheiten gegenüber so blind ist wie nahezu jede andere Gesellschaft auch. Oder, um es pointiert zu formulieren: Je mehr heute von Wissen die Rede ist, desto mehr ist ein Wissen über dieses Wissen verpönt. Zur Zeit genügt es schon, den Versprechungen der Informations- und Kommunikationstechnologien anstatt mit der medial verordneten Euphorie mit theoretischer Neugier und distanzierter Gelassenheit zu begegnen, um als Kulturpessimist denunziert zu werden. Ein Wissen, das nicht die Kennzahlen seiner Verwerrtbarkeit deutlich sichtbar vor sich her trägt, gilt zwar nicht als verboten, aber als unbrauchbar und überflüssig. In einer der Nutzenmaximierung auf Gedeih und Verderb ausgelieferten Gesellschaft muß allerdings auch jedes Wissen, das diesen Zustand unterminieren könnte, indem es über seine Grundlagen aufklärt, suspekt erscheinen.” (Kapitel 1, der Spiegel)
Der ganze Matrix Gedanke ist so sehr an verbotenes Wissen aufgehangen, dass es nicht mehr zu übersehen ist. Aber die Wahrheit ist, dass kein Wissen so sehr versteckt ist, vergraben und untergraben, dass man es nicht sehen oder auch finden kann. Man muss/müsste es nur wollen. “Du musst Deinen Geist befreien.” Wahrhaft und absolut richtig. Wer immer in vorher gegangenen und geebneten Bahnen verbleibt, vorgelebtes, vorgeschriebenes, der kann auch keine Wahrheit finden. Egal, wie sehr er das wünscht. Denn die Frage ist, ob dieses Wünschen wirklich da ist oder nur einem momentanen Übereifer heraus resultiert. Ich will wissen, was ich ohnehin schon weiß. Das, was mich bekräftigt und ja nicht an meinem eigenen System rüttelt.
Denn es ist so, dass unsere Psyche, das Selbst uns selber beschützt, damit wir Wissen nicht finden, aufnehmen können, welches ein jahrelang angelerntes System bedrohen könnte. Aber es gibt keine blaue oder rote Kapsel, die den Verstand davon befreien kann. Wer der Lüge glaubt, formt Wahrheit, die er schlucken kann. Aber in Wahrheit hat nie jemand gelogen, als jeder nur vor sich selbst.
“Erst dort, wo die Lüge dem Status der Wahrhaftigkeit nahe kommt, wo sie zur innersten Gewißheit geworden ist, wo sie dem entspricht, was sich ohnehin stimmig in die Struktur einer Persönlichkeit einfügt, hat die Lüge aufgehört, eine plumpe Täuschung zu sein. Erst jetzt kann sie ihre lebensweltliche Funktion voll und ganz erfüllen. Wenn die Lüge allerdings dann am besten gelingt, wenn sie zum Charakter des Lügners paßt, wenn sie, nach dem einen bösen Augenblick, zum Arsenal der inneren Überzeugungen gehört, hört sie gewissermaßen auch auf, eine einfache Lüge zu sein. Sie ist zur inneren Wahrheit des Lügners geworden, weil seine Lügen schon immer wahrhaftiger waren als seine Wahrheiten. Nietzsche hat deshalb die sogenannten “Überzeugungen” und die Lüge in einem unmittelbaren Nahverhältnis gesehen. Wer vorgibt, von einer Sache überzeugt zu sein, spinnt entweder an einer Lüge oder hat sich schon selbst belogen. […]“(Seite 139)
“Das Bild des Spiegels verrät in diesem Zusammenhang eine ganz andere Pointe: Wenn die grundlegenden Werte des abendländischen Wissens, das Wahre, Gute und Schöne, in einen Spiegel blicken, um ihrer eigenen Wahrheit ansichtig zu werden, dann schlägt ihnen der Wille zur Unwahrheit, der Wille zur Macht und der Wille zum Häßlichen entgegen. Es geht also nicht um eine einfache Verneinung dieser Werte, auch nicht um Demontage, Destruktion oder Dekonstruktion, sondern die nur scheinbar als logische Negation erscheinende Figur des Falschen, Grausamen und Häßlichen erweisen sich als innerste Wahrheit der idealen Werte selbst. Oder zugespitzt und mit anderen Worten: Die Wahrheit der Wahrheit ist die Unwahrheit, die des Guten das Böse, die des Schönen das Unschöne.”[…](Seite 32)
Wir leben eine Lüge, da wir die Wahrheit gar nicht wirklich wissen wollen. Der Mensch glaubt an das Gute und Wahrhaftige. Will aber nicht die Selbstlüge, die offene Verneinung der Wirklichkeit annehmen. Er sieht weg, übersieht sie einfach und ist sich dessen nicht einmal bewusst. Deswegen trifft auch keinen Schuld daran. Selbst wenn er es bewusst machen würde, denn dem unterliegt keine böse Absicht, außer der Lüge. Die ist zwar nicht moralisch bestrafbar, aber kann auch niemals wirkliche Wahrheit und Wahrhaftigkeit ergründen.
Das System, vor dem wir uns selber schützen, ist zum Teil eine dunkle Seite, die jeder von uns hat. Der absolute Wille zum Verwerflichen, Obszönen und all dem, was wir in Wirklichkeit niemals zugeben würden. Denn von Natur aus sind wir ja schließlich unschuldig und rein, nicht wahr? Nein, wir werden es erst durch die Akzeptanz und der bewußten Wahrnehmung der Wirklichkeit unserer Selbst.
Die Wahrheit der Wahrheit ist die Lüge. Im Kleinen, im Unbewußten, im reinen Selbst. So muss es sein, dass es funktioniert und Gefüge als auch Rahmen weiterhin laufen können. Denn würden wir frei, ohne jegliche Lüge, ohne den Rahmen, so würden wir fliegen und uns im Selbst aller Möglichkeiten verlieren. Ich sage nicht, das es nicht geht. Ich persönlich ganz sicher nicht. Aber ist das nicht nur nicht leicht, es ist Arbeit, die Jahrzehnte dauert.
Die Freiheit
Wer sich befreit hat, von jeder Lüge, dem Schein, den er leben muss und dem Glauben, dem er sich versklavt hat, der kann alles vollbringen. Nun, es mag sein, dass man dann alleine da steht. Aber immerhin frei, so kann man sagen. Erwacht, erleuchtet oder welche Bewegung sich auch in unserer Zeit wieder nur manifestiert hat um erneut nur zu benutzen und Gesellschaft, Moral und Vorstellung neu zu formen, damit ein Jeder sich brav einpassen kann.
Niemand kann manipuliert werden, gesteuert und fremdgelenkt, wenn er es selber nicht will. Das ist die eine Wahrheit, die man braucht. Nicht ein System versklavt, sondern rein man selber. Das ist der erste Schritt Richtung Freiheit, die sich so viele zu ersehnen scheinen.