Diese nervige Ampel. Konnte die nicht endlich auf grün springen? Heute wollten ihn alle ärgern. Echt, die ganze Welt hatte sich mal wieder gegen ihn verschworen.
Heute morgen war ihm erst seine Frau quergekommen. Meinte, sie müssten reden. Dieses übliche Gefühlszeug.
Die Luft wäre raus und sie würde ihn nicht wieder erkennen. Er habe sich verändert.
Er hat sie ignoriert. Er hat ihr gesagt, sie solle ihn nicht nerven, er habe sicher wichtigere Dinge im Kopf, als so etwas. Dann stampfte er zur Tür raus.
Sie versuchte ihn aufzuhalten, wollte ihn an der Schulter festhalten.
“Bitte,” sagte sie, mit Tränen in den Augen. Er schob sie weg, sie fiel und stieß sich am Türrahmen den Kopf.
Er sah, dass sie sich verletzt hatte, Blut lief ihr rechtes Auge herunter.
“Selber schuld,” sagte er und knallte die Tür. Wieso musste sie ihn auch so nerven? Er gab ihr, was er wollte und wenn ihr das nicht reichte, Pech gehabt. Ihm war klar, dass sie Schluss machen würde. Das störte ihn nicht. Aber er hätte es beenden müssen. Nervig, dass er das nicht eben schon getan hatte.
Egal, suchte er sich eben halt eine neue. Eine, die leichter zu manipulieren war.
Er bog in die nächste Seitenstrasse ab. Es ärgerte ihn aber doch.
Irgendwas musste herhalten, büssen für ihn. Da fiel ihm etwas ein. Ja so würde er es machen.
Sein Vertreter in seinem Laden hoffte irgendwann den Laden zu übernehmen, ihn ganz zu führen, für ihn.
Dafür legte er sich ins Zeug und wie. Er kam früher, ging später, wenn er ihn brauchte, war er sofort da.
Der hatte eine kleine Familie, einen Sohn von einem Jahr, eine Frau, mit der er seit fünf Jahren verheiratet war. Wie glücklich der immer davon erzählte, wie toll doch sein Leben sei, dass er alles habe, was er sich jemals wünschen könnte.
Richtig giftig erschien dessen Lebensfreude immer.
Nun, die würde er ihm nehmen. Er würde ihn heute zur Seite nehmen und feuern. Das war seine Rache. Mal sehen, ob der auch noch so glücklich war, wenn der kein Geld mehr hereinbekam. Er freute sich drauf. Das perfekte Opfer.
Er hielt den Wagen an. Stieg aus, schloß die Tür.
Er hörte das Auto schon früh, wie es um die Ecke rutschte, mit viel zu viel Geschwindigkeit.
Er sah es kommen, direkt auf sich zu, aber er war wie in Trance. Er war gelähmt, außer den Scheinwerfern sah er nichts. Und der Wagen erwischte ihn, schleuderte ihn in die Luft als er sein Auto streifte.
Der seitliche Zusammenstoß mit dem weißen Lieferwagen ließ den roten Mustang aus der Bahn rutschen. Der Fahrer verliert die Kontrolle, die Reifen blockieren. Ein ganzes Stück rutscht der Wagen quer die Strasse entlang, bis er sich überschlägt. Mehrmals dreht er sich, bis er letztendlich auf dem Dach liegen bleibt.
Die Reifen drehen noch mal durch, der Motor spuckt noch mal richtig, dann geht er aus, die Räder laufen nach.
Man hört Reifen quietschen, Gummi verbrennt, hinterlässt Streifen auf der Strasse. Ein Polizeiwagen rast um die Ecke, stoppt mit quietschenden Reifen.
Die zwei Beamten springen aus dem Wagen, ziehen ihre Waffen, nähern sich vorsichtig dem verunglückten Wagen.
Ein Beamter geht zur Fahrertür, öffnet sie, fühlt den Puls des Fahrers. Die Waffe ist die ganze Zeit auf diesen gerichtet, entsichert.
Dann steckt er seine Waffe weg, sichert sie dabei. Er sieht seinen Kollegen an, der sich dem Kofferraum nähert.
“Tot,” sagt er.
Der Kollege steckt ebenfalls die Waffe weg, öffnet den Kofferraum.
Eine Frau fällt heraus, er fängt sie, bevor sie auf die Strasse fällt. Behutsam legt er sie ab. Sie atmet, hat ein paar Schrammen, blutet.
“Los,” sagt er. “Ruf einen Krankenwagen, sie lebt.”
Der andere Polizist rennt zurück zum Polizeiwagen, reißt die Tür auf, nimmt das Funkgerät.
“Wir brauchen einen Krankenwagen hier, schnell. Die Entführte lebt. Ich wiederhole, die Entführte lebt, aber ist vermutlich verletzt. Wie schwer, können wir nicht sagen. Der Täter ist tot. Schickt Verstärkung, es hat einen Unfall mit dem Flüchtigen gegeben.”
“Verstanden. Kommt sofort,” antwortet die Zentrale. Der Polizist sieht zum Mustang.
Ein Leben wird genommen, ein Anderes geschenkt.
Er sieht den zerbeulten Lieferwagen, den Mann hundert Meter weiter auf der Strasse liegen.
“Der ist auf jeden Fall tot,” denkt er. Ein verdrehter Kopf, falsch liegende Gliedmaßen, Blut. Dieses Bild hat er schon oft gesehen. Er geht trotzdem auf ihn zu. Er muss den Puls fühlen.
“Zwei Leben wurden diesmal genommen, eine Frau lebte noch. War sie es wert?” Diese Entscheidung musste er nicht treffen und er ist dankbar dafür.
Er beugt sich über den Mann, fühlt am Hals.
Der Mann ist tot.