Prolog

Mein Leben ist eins der schwersten, oder auch der leichtesten, je nachdem, wie man es betrachtet. Ich bin dem Blutdurst versklavt, dem ewigen Hunger nach der Unsterblichkeit. Der Odem des Lebens ist meine Quelle der Nahrung. Und ich lebe bereits ewig. Ein Jahrtausend bereits, das ich auf dieser Erde wandele. Gesehen, erlebt, habe ich so viel, dass ich es niemals ganz alles erzählen könnte. Ich könnte mich nicht mit Dir in ein Pub setzen und schildern von den blühenden Zeiten alter Schlachten, die ich kämpfte. Und doch will ich es versuchen, in Zeilen, in Worten, den Glanz alter Zeiten zu verewigen. Ich habe viele Feinde. Die, die nicht wollen, das wir auf dieser Erde wandeln. Sie jagen meine Art, versuchen uns zur Strecke zu bringen, wo auch immer sie uns begegnen. Nur genau deswegen müssen wir uns versteckt halten, in den Schatten leben, auf dass niemals jemand ganz erfährt, was wir sind und was wir leben. Das Ideal der Schönheit ist mein vormerkliches Symbol. Ich bin ohne Fehl im Aussehen. Schön anzusehen und bezaubernd, wie das Raubtier seine Beute so verführt.

Ich gehöre dem schwachen Geschlecht an. Und doch habe ich die Schwäche gänzlich hinter mir gelassen. Ich bin übernatürlich schnell, übermenschlich stark und habe die feinsten Sinne, die man sich vorstellen kann. Ich bin eine Schönheit. Habe lange rote Haare, die meinen blassen Glanz der Haut übertönen. Grüne Augen, voll der nimmersatten Tiefe, die Dich in ihren Bann ziehen. Und einen rot angemalten Mund, der sich in der schwachen Verzerrung zu einem nur gehauchten Lächeln, die bezaubern wird. Ich bin die Verführung pur. Und mein Aussehen erleichtert mir das Leben als Untoter allgemein. Niemand vermutet hinter der zarten Schönheit die Gerissenheit eines Raubtieres. Und doch bin ich auch das.

Aber ich bin anders, als die, die Du bereits kennst. Nach dieser Einleitung denkst Du an einen Vampir. Aber das bin ich nicht nur. Ich bin ein Hybrid. Ebenso Werwolf, wie Vampir. Ich hatte das Werwolfgen bereits in mir, als ich zum Vampir verwandelt wurde. Als ich mich jetzt neu erhob als Untoter, wurde auch die Werwolfseite aktiviert und ich kann mich verwandeln. Kein reiner Werwolf und kein reiner Vampir. Aber die Stärke von Beidem. Diese Existenz macht mich zum Außenseiter. Kein Werwolf will mit mir zu tun haben und die Vampire meiden mich auch. Denn meine Nahrung ist jetzt vielfältig. Ich kann Vampirblut zur Nahrung aufnehmen, wie Menschen als auch Tierfleich reißen und auch nur Menschenblut trinken. Es ist weniger eine Wahl, als vielmehr bin ich zu Zeiten des Monats eine Getriebene, was ich gerade brauche.

Wir haben Vollmond. Und das Tier in mir ist voll erwacht. Meine Sinne sind die eines Raubtieres. Und ich bin auf der Jagd. Denn anders als die ganzen Werwölfe, bin ich auch zu Vollmond bei vollem Verstand. Ich habe mir eine Beute herausgepickt, um mein Gewissen zu beruhigen und mich auch trotz Menschenjagd noch wohl zu fühlen. Mein ausgewähltes Opfer ist ein verkommenes Mitglied der Gattung Mensch. Ein Serienkiller, der die Opfer an die hunderte bereits getötet hat. Er streift dort unten durch die Gasse, wo das Licht der Straßenlaterne nur flackert und vereinzelt Blick auf die dunklen Ecken zulässt. Er wartet dort unten auf sein nächstes Opfer. Und obwohl alles in mir danach schreit sich zu verwandeln, lasse ich es jetzt nicht zu. Ich will dem Killer eine letzte Lektion erteilen. Und so ziehe ich den Schal vor das Gesicht und springe hinunter eine Gasse weiter. Dann mache ich mich auf den Weg an ihm vorbei. In hektischen Schritt tackern meine Stöckelschuhe über das Kopfsteinpflaster. Er hat mich bereits ausgespäht und erwartet mich voll verdorbener Wollust. „Diesmal nicht,“ denke ich mir als ich an ihm vorbeieile. Er packt mich am Arm und will mich zu sich ziehen. Das Rasiermesser bereits in der rechten Hand um zu meiner Kehle zu gleiten. Ich lasse es zu. Aber in dem Moment wo er mich zu sich dreht, verwandel ich mich und knurre ihn an. Kreidebleich fällt er auf den Boden, im Sprung von mir weg. Das Rasiermesser scheppert über die Steine. Er will sich umdrehen und weglaufen. Aber diese Chance lasse ich ihm nicht. Ich reiße meine Beute bei lebendigem Leib. Und seine gurgelnden Schreie sind eine Genugtuung für alle Opfer, die er bereits verschuldet hat. Langsam erstickt sein Schreien und er gleitet in die nächste Welt, vor Schmerzen verzerrt. Eine angemessene Belohnung für seine verkommenen Taten zu Lebzeiten. Nachdem ich mit ihm fertig bin, springe ich auf das nächste Dach, von Dach zu Dach, bis ich bei meinem Balkon ankomme. Ich schwinge mich darauf und gleite hinein. Während ich mich zurückverwandele gehe ich ins Bad. Ich muss all das Blut und Dreck abwaschen. Ich fühle mich wohlgenährt. Satt und befriedigt. Hat mein Tier diesmal der Welt einen Gefallen getan. Und das fühlt sich verdammt gut an.

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