Das konnte doch nicht alles sein?

Er war im Grunde zufrieden mit seinem Leben. Und doch war es so, als wenn etwas fehlen würde. Etwas Bedeutendes, weltumwälzendes, das ihn einmal erfasst vom Hoheflug nicht mehr abstürzen ließ. Sicher, er wusste schon längst, dass er Liebe in seinem Leben brauchte. Und doch wusste er nicht, wo zu finden. Seine Arbeit in Vollzeit nahm ihn so sehr in Beschlag, dass einfach die Zeit für sonst etwas fehlte. Sicher traf er sich auch ab und zu mit seinen Freunden. Aber dort würde er die Liebe nicht finden. Das wusste er bereits. So sehnte er sich nach etwas, dessen Erfüllung nicht weiter entfernt sein konnte. Über 10 Jahre lang war er schon Single. Und im Grunde störte ihn das nur manchmal. In bestimmten Momenten sehnte er sich nach einer zarten Seele, die er lieben durfte. Mit voller Hingabe auf Händen tragen würde und mit ihr zusammen ein neues Kapitel in seinem Leben beginnen würde, dessen Möglichkeiten einfach unbegrenzt waren. Und öfter als es ihm bewusst war, musterte er junge Frauen und stellte sich eine Gemeinsamkeit vor. Aber die Realität traf ihn immer wieder mit ihrem harten Beil und am Ende sprach er die Schönheit dann doch nicht an. Zu sehr herrschte der Gedanke der eigenen Unzulänglichkeit vor und die Tatsache, dass er im Grunde sich selbst nicht für etwas Besonderes hielt.

So ging er Tag für Tag zur Arbeit. Sah hier und dort Seelen. Streifte Schönheiten auf seinem Weg, die ihn bezaubernd für Sekunden nur gefangen nahmen. Aber waren sie vorbei, waren sie auch aus dem Blickwinkel seiner Realität verschwunden und er folgte weiter seinen eingefahrenen Bahnen. Und er fragte sich immer öfter, ob das alles gewesen sein sollte, was ihm uns seinem Lebensweg bevorstanden. Sollte da nicht mehr für ihn drin sein? Irgendein Highlight, das seine Seele strahlen und leuchten lassen würde? Lichterloh brennen lassen würde auf Grund eines erst unscheinbaren Funkens. Nur diesen Funken fand er einfach nicht. Und das machte ihn irgendwie traurig. Wenn er darüber nachdachte.

Und das tat er schon selten genug. Wie gesagt, er war so in das Leben eingebunden mit Pflichten, Sorgen und manchmal auch Nöten, dass ihm die Zeit zum Nachdenken über sein Leben einfach fehlte. Er war praktisch veranlagt. Mochte es, immer in Bewegung zu sein. Da blieb auch das Denken der Gedanken auf der Strecke. Auch wenn er darüber nachdachte, machte ihn das traurig.

Aber er vollbrachte auch seine Leistung auf der Arbeit. Leistete weit über Durchschnitt. Und seine Chefs waren alle mit ihm vollkommen zufrieden. Aber das machte im Grunde doch nicht den Wert eines Lebens aus, oder? Man arbeitete um zu leben und lebte nicht um zu arbeiten. Sicher war er auf seine Weise ein Workaholic. Aber Arbeit konnte man nicht als Lebens Sinn festlegen. Es war eine Beschäftigung, fraß Unmengen an Zeit. Aber der Sinn musste doch wo anders zu finden sein?

Das brachte ihn dann doch zum Nachdenken. Über das Leben, sein Leben. Er musste mehr reale Dinge auch für sich alleine tun. Dinge, die ihm gut taten, durch die er sich lebendig fühlen konnte. Das Leben durfte nicht nur aus Arbeit bestehen. Das hatte er vor kurzem schon begriffen. Er hatte soziale Kontakte, doch pflegte er sie weniger, als er sollte. Er musste dort mehr Wert reinlegen, beschloß er jetzt. Im Miteinander, im Austausch, fand man sich selber und konnte sich durch das Spiegelbild anderer auch wieder definieren. Das begriff er. Auch dass ein Lachen mit Freunden weit mehr Wahrheit und tiefgreifenden Sinn versprach, als jedes Denken der Gedanken über Sinn und Unsinn.

Er würde von jetzt an leben. Mehr leben. Mehr erleben. Das schwor, das versprach er sich. Und vielleicht klappte es dann auch mit der Liebe? Er wusste es nicht, aber er hoffte es insgeheim. Er griff zum Handy und schrieb einfach mal ein paar Freunde an. Vielleicht hatte ja jemand jetzt Zeit?

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