Sie ist die Eine, die Reine, nicht die Meine, die sich an den Baum anschmiegt. Einladend schon fast, schickt sie ihren Blick herüber. Ganz offen, ohne einen hinterlistigen oder versteckten Gedanken, lädt sie mich ein, zu ihr zu kommen. Noch hadere ich mit mir, mit der Situation, mit diesem all zu kostbar dargebotenem Geschenk. Soll ich es annehmen? Und durch meine Berührung mit dieser Wirklichkeit eben jene wieder zerstören? Solange sie dort liegt, ist das Portal in das Reich der Träume geöffnet. Alles kann noch passieren, alles ist auf eigene Weise möglich. Aber berühre ich diese Realität, so zwinge ich dem Traum meine Präsenz auf. Meine Wirklichkeit überschreibt die Realität des Traumes und formt die Wahrscheinlichkeit um. Es zwängt dieses so freie Bild in die engen Maschen der Menschlichkeit. Und jeder freie Flug wird in Zukunft unterbunden, an den Fehl und die Schwäche der Existenz gekettet.
So aber, ohne meinen Einfluss, ist sie frei. Die Einladung zu ihr zu treten bleibt auf immer bestehen. Und als Möglichkeit einer Wahrscheinlichkeit, kann ich diese freizügig annehmen. Die Herrlichkeit dieses existenten Traumes durch mein Trampeln der Unbedarftheit zerstören. So tue ich dies nicht. Ich sauge den Moment mit allen meinen Sinnen auf. Versuche jede Kleinigkeit aufzunehmen und ja nichts zu vergessen. Damit ich es im Innern nachzeichnen und verewigen kann. Denn dann ist es egal, wie die Wirklichkeit umgeformt wird. Dann darf ich zu der holden Schönheit treten und sie begrüßen in meinem Leben. Denn von nun an, ist sie ein Teil desselben. Durch meinen Gruß, durch mein erstes Wort, habe ich sie eingeladen, die Zukunft mit mir zu beschreiten. Und selbst, wenn sie nur Sekunden andauern sollte, so habe ich einer majestätischen Begegnung das Tor geöffnet. Und dem Traum die Möglichkeit gegeben, meine Realität umzuschreiben.
Denn es ist in beide Richtungen möglich. Ich kann die Realität dieser Wirklichkeit umschreiben oder diese Wirklichkeit formt meine Realität um. Vorher weiß man noch nicht, was passieren wird. Welche Realität, welcher auch nur Traum, stärker ist als all das von Bestand, das ich in mir herumtrage. Und in dem ich an die Schönheit herantrete, wage ich den Versuch, ihre Realität zu betreten, ohne meine Wirklichkeit sie überlagern zu lassen. Denn was sie ist, welchen Traum sie verewigt, ist mir mehr wert, als all das, was mich ausmacht.
Vielleicht ist das falsch? Die Hoffnung auf eine neue Realität? Aber im Traum beginnt jede Hoffnung einer Wahrscheinlichkeit, die einmal Zukunft sein kann oder darf. Und in dem ich die Vision berühre, erfühle ich eine Möglichkeit, die ich durch innerstes Sehnen auch dann verwirklichen kann. Und was ist schöner als die Sehnsucht nach Schönheit? Was zarter als die kostbaren Blüten vergänglicher Zärtlichkeit? Was ist kostbarer als die verfliegende Sekunde einer innigen Berührung?
Und was nur können wir nicht halten im Schlund der vergehenden Zeit? So sehr wir uns auch bemühen. Die Zukunft nimmt uns die Gegenwart. Die Vergangenheit vergeht in dem Loch des Vergessens. Und was uns einmal wichtig erschien, wird nichtig und klein, wenn die Tore einer unbekannten Zukunft sich öffnen, die zu allem werden kann. So sehnen wir uns nach der Allmöglichkeit eines Traumes und vergessen dabei die schleichenden Sekunden der Gegenwart. Da uns das Sehnen nach vorne zieht, übersehen wir die vorbeistreichenden Gezeiten dessen was gerade ist. Und jede Einladung zu einem Traum beherbergt auch die Verführung zur erhoffenden Zukunft.
Den Traum dürfen wir nicht verhindern. Die Möglichkeit jeder Wahrscheinlichkeit nicht unterbinden. Denn ebenso beherbergen diese auch ein Potential, das nicht zu übersehen ist. Das der Hoffnung. Die Macht, die Kraft, uns zu etwas Besserem und Höherem zu erheben, als wir bis dato sind. Zum wahren Selbst sich zu verwirklichen auf den Schicksalsschlägen eines Lebens. Die Steine des Mühsal zu überwinden und im Triumph sich selber neu zu erschaffen.
Am Ende bleibt die Frage, wie zu Anfang. Welchem Traum nachzugeben, auch wenn die Schönheit einen einlädt und welche Realität dem Hochflug der Wahrscheinlichkeit vorzuziehen. Der Verstand kann nicht beantworten, was das Fühlen als Wahrheit will. Deswegen muss nicht immer Wissen als Stütze dienen, als vielleicht einfach ein Versuch der Möglichkeit. Und dabei einen Pfad zu beschreiten, der durch Unbedarftheit geöffnet, die Treppen in das eigene Paradies in den Stein meißelt.